Vorratsdatenspeicherung: Befreiungsschlag für Presse- und Koalitionsfreiheit

02.03.2010

02.03.2010 - Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen die Vorratsdatenspeicherung als „Befreiungsschlag für die Presse- und Koalitionsfreiheit. Endlich wird der blinden Datensammelwut des Staates etwas entgegen gesetzt“, sagte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Gerd Herzberg. Das von den Karlsruher Richtern monierte Gesetz zur Massenspeicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten hätte dazu eingeladen, „in blindem Aktionismus Daten in gefährlich großer Menge anzuhäufen“.
Durch die Vorratsdatenspeicherung sollten nach dem Willen des Gesetzgebers private Stellen wie Telekommunikationsunternehmen eingesetzt werden, um den Vollzug des Gesetzes überhaupt zu ermöglichen. „Zu welchem Missbrauch dies führen kann, zeigen gerade die zuletzt immer wieder bekannt gewordenen Verstöße von Unternehmen gegen den Datenschutz“, so Herzberg. Anders als bisher konnten sich Bürger im Rahmen des Gesetzes auch nicht gegen die Speicherung durch einfache Willenserklärung wehren (etwa durch Vereinbarung einer Pauschalabrechnung), auch die Möglichkeit, den Zugang zu den Verkehrsdaten durch die Inanspruchnahme von Anonymisierungsdiensten zu verhindern, war weitgehend versperrt. „Dass das Gericht dem nun einen Riegel vorschiebt, ist ein Erfolg für die Demokratie und die Meinungsvielfalt im Land“, betonte Herzberg.

Karlsruher Urteil ein wichtiger Schritt zur Sicherung der Pressefreiheit ...

... und der journalistischen Arbeitsgrundlagen Informanten- und Quellenschutz. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di hatte sich in einer Gemeinsamen Erklärung zusammen mit mehr als 40 weiteren Organisationen und Verbänden gegen die verdachtslose Vorratserfassung der Verbindungs- und Standortdaten der gesamten Bevölkerung ausgesprochen (http://erklaerung.vorratsdatenspeicherung.de). Deswegen begrüßt sie das heute verkündete Urteil des Bundesverfassungsgerichts als einen wesentlichen Schritt zur Sicherung von Datenschutz und der Grundlagen der Pressefreiheit. Insbesondere die Forderungen nach Datensicherheit, Verhältnismäßigkeit, Transparenz, Rechtsschutz und Richtervorbehalt bei Verwendung der gespeicherten Daten erinnern die Politiker nachdrücklich an ihre hier versäumten Pflichten und ihre Verantwortung gegenüber dem Grundgesetz und den unveräußerbaren Rechten der Bürger.

Unsere besonderen Bedenken richteten sich über die Sorge um Umgang mit den Telekommunikationsdaten aller Bürger allgemein hinaus vor allem gegen den Umgang mit den vertraulichen Daten von Journalistinnen und Journalisten. Diesen Bedenken hat das Bundesverfassungsgericht Rechnung getragen. Damit ist bestätigt: Die Grundlagen der beruflichen Tätigkeit von Journalistinnen und Journalisten stehen auf dem Spiel, wenn das Vertrauen in die Anonymität und Vertraulichkeit von Kontakten zu Quellen und Informanten nicht gewährleistet werden kann.
Die verdachtslose Vorratsspeicherung der Verbindungs- und Standortdaten der gesamten Bevölkerung würde das ständige Risiko schaffen, dass vertrauliche Kontakte etwa zu Journalisten, Beratungsstellen und Geschäftspartnern bekannt werden könnten. Dieses Risiko hat sich ja in Fällen wie der Deutschen Telekom AG und der mit ihr kooperierenden Detekteien bestätigt.
Es hat sich bereits in der Praxis gezeigt: Sind die Verbindungsdaten erst mal vorhanden, steigert das die Begehrlichkeiten und die Zugriffsversuche und schmälert offensichtlich das Unrechtsbewusstein selbst beim eindeutig illegalen Zugriff.
Gerade im Hinblick auf die dadurch massiv beeinträchtigten Rechte der Medien und ihrer Beschäftigten auf Zeugnisverweigerung und Informantenschutz ist die verdachtsunabhängige umfassende Vorratsdatenspeicherung deshalb ungeachtet aller Sicherheitsauflagen und Zugriffsbeschränkungen nicht hinnehmbar.
Wir begrüßen daher die Feststellung, dass die Bundesregierung bei Festlegung der deutschen Ausformung der Vorratsdatenspeicherung weit über das von der EU vorgegebenen Ziel hinausgeschossen ist.
Allerdings sehen wir auch in der EU-Richtlinie ein großes Gefährdungspotential für Datensicherheit und Pressefreiheit. Die Politik muss deswegen jetzt konkrete Schritte zur Aufhebung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung und des deutschen Umsetzungsgesetzes unternehmen, um eine uneingeschränkte, freie und unbefangene Telekommunikation auch in sensiblen Situationen und Zusammenhängen wieder zu ermöglichen.
Zugleich muss die Gleichstellung von Journalisten mit anderen Berufsgeheimnisträgern wie Abgeordneten, Ärzten und Anwälten wieder in allen einschlägigen Vorschriften z.B., der StPO wieder hergestellt und gesetzlich verankert werden.